Beim Texterinnen-Netzwerk Texttreff beschenken wir uns zu Weihnachten auf ganz besondere Art und Weise: mit Blogbeiträgen. Mich beschenkt als „Blogwichtel“ Mela Eckenfels, die uns berichtet, warum sie zwar in England studiert, aber noch nie dort war. Und sie beantwortet die Frage: Wie stellt sich jemand England vor, der noch nie dort war? Viel Spaß beim Lesen!
Gastbeitrag von Mela Eckenfels
Seit ich denken kann, bewegte sich das Thema „Urlaubsplanung“ immer in einer Art Spannungsfeld. Als ich sehr jung war, wollten sich meine Eltern am Strand in der Sonne erholen. Ich fand das totlangweilig und die Urlaubsziele waren mir damals oft schon zu heiß. Zumal es immer meine Aufgabe war, in der glühenden Mittagssonne frische Kühlakkus beim Besitzer des jeweiligen Campingplatzes zu besorgen.
Irgendwann später änderte sich die Einstellung meiner Mutter. Nun waren wir zwei, die auch mal gerne in den Norden gefahren wären und etwas Kulturprogramm auch nicht schlecht gefunden hätten. Das nördlichste Ziel war dann ein Strand in Dänemark – nur um dort festzustellen, dass es auch in Dänemark ziemlich heiß ist und es dort auch noch furchtbar viele Quallen gibt. Ich hasse Quallen.
Inzwischen bin ich seit fünfzehn Jahren verheiratet und Sie erraten es sicher: Ganz genau. Mein Mann steht eher auf entspannten Urlaub am Strand. Nördlichere Gefilde und Kulturprogramm sind nicht so seins. Unser aktueller Kompromiss sind Städtereisen. Prag und Barcelona waren die letzten beiden Ziele. Beides wunderbare Städte, Prag eine Liebe auf den ersten Blick, Barcelona meine heimliche Liebe seit einer Jugendreise im Alter von 16. Wenn es dort nur nicht so verdammt heiß wäre…?
So kommt es, dass ich ganz Kontinentaleuropa – und vor allem den Mittelmeerraum – bereist habe. Ich habe mehrtägige Streiks im Hafen von Sizilien durchgestanden, mich in Delphi vom Anblick uralter Steine verzaubern lassen, massive Stürme auf der Fähre von Korsika einfach verschlafen und Schweden wenigstens im Schüleraustausch gesehen. Aber ich war noch nie in England.
Und das, oh süße Ironie, obwohl ich seit 2009 sogar an einer staatlichen, englischen Universität studiere. Der Open University, dem englischen Vorläufer unserer Fernuni Hagen.
Vorerst bleibt mir nur, von England zu träumen. Von seiner Geschichte, die man erlebt, egal, wohin man tritt. Von alten Gemäuern, verschwenderischen Herrenhäusern und dunkelgrünen Wäldern im ewigen Nebel. Davon, den Nieselregen und den Seewind im Gesicht zu spüren, und danach, durchgefroren in die lauschige Pension zurückzukehren. Um bei einer Tasse Earl Grey, heiß, am Kamin durchs Fenster hinaus in den Regen zu sehen und zu träumen. Davon, in kleinen Cafés frische Scones zu genießen und traditionelle Fish and Chips am Straßenstand zu kaufen. Die Frage „Mit Essig?“ würde ich natürlich mit „Ja“ beantworten. Wie auch sonst?
Nur wenn es ans traditionelle britische Frühstück geht, würde ich verlegen auf den Boden schauen und etwas von „Vegetarian“ murmeln. Bacon leider nur ohne mich und auch von Marmalade wird mir beim Frühstück übel, doch ich nehme sie dann gerne zum Fünfuhrtee und meinen Scones. Die Engländer stelle ich mir eher wortkarg und nüchtern vor. Das passt mir gut, denn für meine Geselligkeit bin ich auch nicht bekannt. Wozu auch, wenn man die wichtigsten Dinge mit einem Kopfnicken oder einem „Hrrrm“ klären kann, um danach weiter am Tee zu nippen und aus dem Fenster zu schauen.
Deswegen würde ich auch eher einen Bogen um Pubs nach Einbruch der Dunkelheit machen. Engländer, die unter Alkoholeinfluss auf einmal gesellig (und auch ein wenig aggressiv) sind, wären mir unheimlich.
Doch wo würde ich anfangen? Es gibt so viel zu sehen. Ganz oben auf der Liste steht Avebury. 2011 habe ich das Argument meiner Abschlussarbeit des Moduls AA100 zum Thema „sakrale Orte“ um Avebury herum aufgebaut. Grund genug, es endlich mal zu besuchen. Sogar wo ich gerne unterschlüpfen würde, weiß ich schon. Dem Bed & Breakfast „Quilt & Croissants“ kann man doch schon alleine des Namen wegens nicht widerstehen. Jedenfalls habe ich es mir sofort notiert, nachdem ich eine Bekannte auf Foursquare dort einchecken sah. Das kleine Bonbon: es liegt nur 3 Gehminuten vom Shakespeare Museum in Stratford-upon-Avon entfernt.
Auch Newcastle upon Tyne steht auf der Liste. Dorthin hätte es mich anlässlich eines Tutorials beinahe schon einmal hin verschlagen und auch diese Stadt klingt nach lebendiger Geschichte.
Und auch wenn es Schottland und nicht mehr England ist, sei es noch erwähnt: Ich würde gerne das Edinburgh Military Tattoo sehen. Mit Ohrstöpsel zwar und gerade mal so lange, wie ich die Menschenmassen ertrage. Aber wenn es vor Ort so beeindruckend ist, wie es auf winzigen Youtube-Videos wirkt, muss ich da hin.
2017 mache ich meinen Abschluss und werde meine Urkunde im Barbican Centre in London entgegennehmen. Spätestens dann komme ich, England, aber vielleicht wird ja schon früher etwas aus uns?
Über die Gastautorin:
Mela Eckenfels ist freie Autorin und Fachjournalistin aus Karlsruhe. Neben IT und Technik schreibt sie auch über das Kochen, Gott, die Welt und Politik. Sie bloggt u.a. auf Feder & Herd. Außerdem reist sie an sich sehr gerne – wenn da nur nicht das Packen vorher und das Von-Zuhause-fort-Sein wäre. Über das Arbeiten in Bewegung schreibt sie auf Arbeitsnomade.
Cream Tea mit Scones hätte ich auch gerne mal wieder. Tipp: Nur ja nicht um 4 oder 5 Uhr nachmittags im Winter in Cornwall (zumindest St Ives) danach suchen. 😉 (Warum nicht? Nachzulesen hier: https://winterinengland.wordpress.com/2012/02/07/strande-und-cream-tea/ ).
By: Sonja Tautermann on 18. Dezember 2013
at 12:06
Wo ich den Beitrag gerade wiederfinde. Vergangenes Jahr habe ich – wie angekündigt – meinen Abschluß gemacht und habt – auch wie angekündigt – meine Degree Ceremony in der Barbican Hall in London gefeiert. Und mir danach Stratford-upon-Avon angeschaut und Avebury. Nur das „Quilt & Croissants“, das war leider ausgebucht.
By: Mela on 13. März 2018
at 15:59